Gereizte oder entzündete Achillessehnen als Dauerthema

(von Hendrik Lehmann)

Eines vorneweg:

Ich bin kein Arzt. Ich bin Hobbyläufer mit dem speziellen Problem, dass ich (zum Teil wohl auch genetisch bedingt) durch verkürzte Wadenmuskeln schnell zu gereizten/entzündeten Achillessehnen oder einer verhärteten Muskulatur der unteren Wadenhälfte neige. Die Symptome reichen dabei von leichter Druckempfindlichkeit der Sehnen (relativ harmlos) bis zu starken Schmerzen, die zum Laufabbruch führten. Um diese Sache endlich in den Griff zu bekommen, habe ich mir verschiedene möglichst alltagstaugliche Hilfen überlegt.

Viele Läufer haben ähnliche Probleme. Denen möchte ich mit dieser Zusammenfassung ein paar Tipps anbieten. Solltet ihr etwas für medizinisch bedenklich halten, bitte ich darum, mir dies mitzuteilen, ebenso weitere Rat- und Verbesserungsvorschläge. Wie gesagt, ich bin Laie und kann nur aus meinen persönlichen Erfahrungen schöpfen.

Ich habe diesen Aufsatz Anfang 2001 geschrieben, nachdem ich meine lang andauernden Achillessehnenprobleme weitgehend bewältigt hatte. Nach nunmehr über 4 weiteren Jahren Lauferfahrung stehe ich nach wie vor hinter dem, was ich damals ausgearbeitet hatte. Es hat sich vielfach bewährt.
Mehr dazu auch am Ende des Artikels im Fazit.

Die Situation:

Seit ich nicht mehr nur 1-2 mal/Woche jogge, sondern mein Lauftraining zur Marathon- und Wettkampfvorbereitung intensiviert habe, litt ich immer mal wieder unter gereizten Achillessehnen.
Erstmals bekam ich im Frühjahr 1999 Probleme nach drei Wettkämpfen im kurzen Abstand von 1-2 Wochen. Als Vorbereitung darauf hatte ich auch viele Tempoläufe und Fahrtspiele absolviert. Auch dabei hatte ich schon mal unangenehm die Sehnen gespürt. Eine Woche nach dem dritten Lauf, einem HM, schmerzten meine Achillessehnen so sehr, dass ich fast 14 Tage Laufpause einlegte.
Alle weiteren Wettkämpfe und Trainingsläufe 1999 verliefen dann aber ohne größere Probleme. Ich war allerdings auch vorsichtiger, machte nur wenige kurze Tempoläufe, mehr langsames Training und längere Wettkampfpausen.

Von Okt. '99 - Jan. '00 trainierte ich nur noch 10-20 km pro Woche wegen größerer Arbeitsbelastung. Mitte Februar 2000 ging ich völlig beschwerdefrei in die neue Saison. Die Achillessehnen meldeten sich dann wieder, wie sollte es anders sein, nach einer Phase vorwiegend tempoorientierten Trainings und vier Wettkämpfen hintereinander im Juni 2000.

Schon beim nächsten Regenerationslauf war mir wieder klar, wo meine "Achillesferse" saß. Da ich zu diesem Zeitpunkt aber bereits die Vorbereitung für den Berlin-Marathon begonnen und mir dafür einiges vorgenommen hatte, wollte ich nicht schon wieder eine Laufpause einlegen, was sicherlich besser gewesen wäre. Ich trainierte also weiter, inklusive Tempotraining, reduzierte allerdings in der einen oder anderen Woche das Pensum, wenn ich das Gefühl hatte, dass die Belastung zu groß wurde. Es war sicherlich eine Gratwanderung zwischen Ehrgeiz und Gesundheit! Ich verschleppte die Achillessehnenreizung über ca. 3 Monate hinweg, was ein Auskurieren zusätzlich erschwerte.
Im Oktober 2000, nach Berlin-Marathon und (nur 1 Woche später!) Büdelsdorfer Eiderlauf waren die Beschwerden massiv: Starke Schmerzen beim Gehen, unsere Treppe kam ich morgens nur rückwärts herunter!

Die Behandlung:

Eine Möglichkeit wäre natürlich gewesen, das Laufen bis zum Verschwinden der Beschwerden ganz zu lassen. Das kann allerdings, gerade bei der Achillessehne, Wochen oder sogar Monate dauern. Welcher begeisterte Gewohnheitsläufer will das schon? Also versuchte ich weiter zu trainieren und durch verschiedene Maßnahmen dennoch eine Heilung zu erreichen.

Ich bin auch kein Freund von Medikamenten. Es werden immer gerne Entzündungshemmer empfohlen oder Cortisonpräparate gespritzt. Für mich ist deren Einsatz erst angesagt, wenn die Selbstheilungskräfte des Körpers am Ende sind! Wenn ich mich aus übertriebenem Ehrgeiz kaputt trainiert habe, ist Schonung angesagt, statt die Überlastungssymptome schnell mal mit Aspirin oder Ibuprofen zu unterdrücken.

1. Entlastung

Eine Ursache der Beschwerden ist die Überlastung durch zu hohe Laufintensität über längere Zeit. Erste Konsequenz ist für mich infolgedessen Entlastung sowohl vom Laufpensum als auch von der Intensität her.

Eine längere Laufpause von 5 Tagen hat keine nennenswerte Besserung gebracht. Effektiver war es, jeden 2. oder 3. Tag einen Regenerationslauf von 20-40 min. durchzuführen. Läufe länger als 10 km verschlimmerten die Beschwerden, ebenso Intensitäten über GA 1 hinaus oder mehr als zwei Lauftage hintereinander ohne eingeschobenen Pausentag. Zwei kurze Läufe pro Tag waren besser als ein langer. Möglichst keine Hügel und Steigungen.

Die lauffreien Tage habe ich teilweise durch Radfahren, Schwimmen oder längere Spaziergänge (sehr angenehm!) gefüllt. Sobald eine Besserung festzustellen und weitgehend schmerzfreies Laufen möglich war, habe ich wieder vorsichtig gesteigert, bei Verschlimmerung der Symptome dagegen reduziert.

2. Dehnen

Eine Hauptursache der Beschwerden: Der Wadenmuskel ist so stark verkürzt, dass er dauernd unter Spannung steht, das führt zu einem permanenten Zug an der Achillessehne. Also muss intensiv gedehnt werden, um die Spannung zu nehmen: Nach dem Laufen, Radfahren, Schwimmen, der Gymnastik, am besten mehrmals täglich.

Früher war ich ausgesprochen nachlässig damit. Immerhin habe ich mir nach den ersten Anzeichen einer Sehnenreizung angewöhnt, wenigstens die Wadenmuskeln besonders lange und gründlich zu dehnen; und es rächte sich sofort, wenn ich nur einen Tag mal nicht dehnte - die Spannung und damit die Schmerzen nahmen wieder zu!

Soviel wie möglich barfuß gehen, z.B. in der Wohnung oder im Urlaub, oder wenigstens Schuhe mit flachen Absätzen tragen. Auch das streckt die Wadenmuskeln. Die gerne empfohlenen Fersenkeile helfen in der akuten Phase durch Entlastung der Sehnen zwar schnell über den schlimmsten Schmerz hinweg, später sind sie aber eher kontraproduktiv, da sich der Wadenmuskel an den kürzeren Weg gewöhnt und erst recht Probleme macht (diesen Effekt sollen auch Frauen kennengelernt haben, die überwiegend hochhackige Schuhe tragen: Wadenschmerzen beim Barfussgehen oder auf flachen Sohlen).

3. Massagen

Habe ich als sehr angenehm empfunden. Ich knetete täglich die Wadenmuskeln inklusive der Achillessehnen, um das Gewebe zu lockern und die Spannung der Muskulatur zu verringern (pro Wade 10-15 min.).
Dabei mit der Wade beginnen und langsam zur Achillessehne vorarbeiten. Das kann mit mehr oder weniger starken Schmerzen verbunden sein, ist aber wichtig, um die entzündungsbedingten Verklebungen zwischen der Sehne und dem umliegenden Gleitgewebe zu lösen, die Durchblutung zu fördern und damit die Heilung zu beschleunigen.
Sehr empfehlenswert sind hier auch kräftige Massagedüsen im Schwimmbad.

4. Gymnastik

Vor allem sollte der Gegenpart zur Wade, die Schienbeinmuskulatur gestärkt werden. Eine Übung, die schnell mal zwischendurch gemacht werden kann, ob zuhause oder im Büro, ist "der kleine Kreislauf" um den Schreibtisch, Esstisch oder irgendwo anders herum, auf dem Hof, dem Rasen oder fast überall sonst:

Gehe langsam jeweils 3-6 Runden

  1. in kleinen Schritten schön von der Ferse zu den Zehenspitzen abrollen
  2. auf den Ballen oder Zehenspitzen
  3. auf den Hacken, die Fußspitzen dabei möglichst weit anheben
  4. auf der Fußaußenkante (Außenrist)
  5. auf der Fußinnenkante (Innenrist)
  6. zum Schluss wieder über die ganze Fußsohle abrollen

das Ganze nacheinander linksherum und auch rechtsherum. Kräftigt die gesamte Fuß- und Unterschenkelmuskulatur und dauert nur wenige Minuten.

Noch einfacher: immer mal für ein paar Minuten die Beine ausstrecken und die Füße kreisen lassen, auch morgens im Bett nach dem Wachwerden, bei der Arbeit am Schreibtisch, beim Fernsehen.

Jeder Spaziergang oder Einkaufsbummel kann zur Gymnastik genutzt werden. Langsam gehen, die Fußspitze so hoch wie möglich ziehen, mit der Ferse aufsetzen, schön über die ganze Fußsohle abrollen und diese solange auf dem Boden lassen, bis die Kniescheibe senkrecht über den Zehenspitzen steht, bei jedem Schritt etwas in die Knie gehen. Das stärkt die Schienbein- und dehnt die Wadenmuskulatur.
(Vorsicht: es könnte es passieren, dass irgendein aufgeweckter Jugendlicher fragt, ob du was von dem Zeug abgibst, das du geschluckt hast. Oder eine nette Oma fragt besorgt, ob es schon wieder geht oder ob sie den Notarzt rufen soll. Zwinkern )

Beim Treppensteigen (ganz langsam) nur den Ballen auf die Stufe setzen, Bein strecken, so dass die Ferse tiefer liegt, ein paar Sekunden die Dehnung halten und dann die nächste Stufe.

5. Bewegung, Arbeit und Spiel

Ganz allgemein habe ich festgestellt, dass die Probleme umso größer werden, je mehr Zeit ich auf dem Bürostuhl oder hinter dem Lenkrad verbringe.
Körperliche Betätigung lindert eher die Beschwerden. Bei vielen Garten- oder Tischlerarbeiten (Holzsägen, Hobeln, Graben) nimmt der Körper eine Position ein, die wie von selbst eine Dehnung bewirkt (Ausfallschritt: ein Bein vor, eins hinten).
Ähnliches passiert z.B. auch beim Billard- oder Dartspielen, also nur zu!

Bei Tätigkeiten in Bodennähe nicht bücken oder knien, sondern in die Hocke gehen, Kniebeugen vergleichbar; darauf achten, dass die Fußsohlen möglichst auf dem Boden bleiben, auch wenn es bei verkürzten Wadenmuskeln meistens schwierig ist.

Fazit:

Nach dem letzten Wettkampf der Saison am 1.10.2000 damit begonnen, hatte ich nach ca. vier Wochen endlich das Gefühl, dass die Behandlung Wirkung zeigt und die Regeneration vorsichtig wieder in Training übergehen kann. Nach 10-20 km in den ersten drei Oktoberwochen war ich Anfang Dezember wieder bei 60 km/Woche angelangt. Am 10.12. erstmals nach dem Berlin-Marathon wieder ein Lauf über 20 km: Mit Ermüdungserscheinungen, aber schmerzfrei!

Über drei Jahre lang blieb ich so zwar nicht von kleineren Verletzungen, wohl aber von Achillessehnen-Beschwerden verschont. Im Frühjahr 2005 bekam ich Probleme mit der linken Ferse.
Auch diesmal führte intensives Laufen zu Spannungen und Zugbelastungen der Wade, die nicht mehr vom Gewebe aufgefangen werden konnten. Gute Pflege und Arbeit an der Sehne schützten diese zwar, dafür kam es am Sehnenansatz im Bereich des Fersenbeins zu Schmerz- und Entzündungsreaktionen und verstärktem Knochenwachstum (Haglund-Ferse).
Zu häufiges langes Arbeiten am Computer (wie jetzt gerade wieder; Achtung, schädlich!) verschlimmerte das Krankheitsbild.

Nachfolgend noch einmal in Kurzform meine Erfahrungen - das alles gilt nicht nur bei Achillessehnenreizung sondern allgemein bei Schmerzen im orthopädischen Bereich:

Generell förderlich sind:

Von Nachteil sind:

Euch allen, die ihr diesen Artikel lest, wünsche ich, dass ihr von Verletzungen verschont bleibt oder sie zumindest schnell wieder los werdet. Es liegt auch an euch, wie lange das dauert.
Je aktiver ihr daran arbeitet, um so schneller ist der Spuk wieder vorbei.
Je weniger ihr selbst die Heilung umterstützt, um so größer ist die Gefahr, dass die Reizung chronisch wird und über (viele) Monate hinweg kein schmerzfreies Laufen (und damit auch keine Leistungssteigerung) mehr möglich ist.
Das untergräbt die Motivation zum Training und den Spaß am regelmäßigen Laufen.
Darin liegt auch die Hauptgefahr einer Achillessehnenreizung, nicht in der Möglichkeit eines (oft befürchteten) Risses oder Anrisses, die bei einem Langstreckenläufer vergleichsweise gering ist. Sprinter und Springer sind hier wesentlich höheren Belastungen ausgesetzt.
Es ist der Verlust der Lust am Laufen durch Dauerschmerz, der schon so manche hoffnungsvoll begonnene Laufkarriere wieder beendet hat.
In diesem Sinne:

Gute Besserung und bleibt gesund!



© 2001 Hendrik Lehmann; 10/2005 überarbeitet und aktualisiert
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