Bevor wir eines der Highlights dieser 25 km genießen dürfen - den Lauf durch das
Brandenburger Tor -
werfen wir noch schnell einen Blick scharf nach links. Dort gibt das Grün des Tiergartens
endlich die Sicht auf das Reichstagsgebäude frei,
das es bislang noch verborgen hielt.
Die vollständige Verhüllung des Baukörpers 1995 mit silbergrau glänzenden Stoffbahnen durch das
Künstlerehepaar Christo und Jeanne-Claude machte ihn
damals weltweit bekannt. Seit seinem Umzug von Bonn nach Berlin im Jahr 1999 residiert
hier der deutsche Bundestag.
Dann wird es wieder Zeit, den Blick vorwärts zu richten: wir strömen gerade jenem frisch renovierten Tor entgegen, das
über 40 Jahre hinweg als markantestes Symbol der deutschen Teilung galt.
Die Kräne dahinter künden von der U-Bahn-Baustelle "Unter den Linden",
die den zahlreichen Berlin-Touristen künftig den Zugang
zu diesem wichtigen Bereich der Stadt erleichtern soll. Bisher sind die nächsten Bahnhöfe
noch etwa einen km weit entfernt.
Nach den Kränen kommen die Linden, die Gehwege werden zusehends voller und jetzt machen die
Zuschauer richtig Stimmung.
Es ist einiges los im alten und jetzt auch wieder neuen Stadtzentrum;
Straßencafés, Restaurants und Boutiquen laden ein zum Bummeln, das schöne Wetter an diesem Tag
trägt seinen Teil dazu bei, viele Menschen ins Freie und auf die Straßen zu locken.
Nach der Wasserstelle bei km 10 biegen wir rechts ab in die Friedrichstraße, noch ein kurzer Schlenker
am Gendarmenmarkt vorbei,
und wir haben den östlichsten Punkt der Strecke hinter uns gelassen.
Aus der Ferne grüßen schon die Glaspaläste am
Potsdamer Platz.
Kaum ein Ort der deutschen Hauptstadt hat im Verlauf der vergangenen 100 Jahre ein solches Maß
an Höhen und Tiefen durchlebt wie dieser. Von jeher einer der Verkehrsknotenpunkte der wachsenden Metropole,
entwickelte sich der Potsdamer Platz auch auf kulturellem und gesellschaftlichen Parkett zu einer
der meistbesuchten Örtlichkeiten - Restaurants, Kneipen, Hotels, Varietés, Rotlichtviertel.
Die alliierten Bomben der letzten Kriegsmonate leisteten dann ganze Arbeit, indem gut die Hälfte
des Gebäudebestandes zerstört wurde.
Fast noch schlimmer wirkte sich in den Folgejahren der Umstand aus,
dass die Grenze zwischen West- und Ostsektoren quasi quer über den Platz verlief.
Was der Krieg nicht vernichten konnte, wurde während der siebziger Jahre nahezu vollständig abgerissen -
im Osten, um Fluchtmöglichkeiten vorzubeugen, im Westen, weil es verfiel oder einfach nur im Wege war.
Was blieb, war eine riesige, ungenutzt daliegende Brachfläche.
Die Renaissance begann mit der Wiedervereinigung der geteilten Stadt: Die Mauerreste wurden beiseite geräumt,
städtebauliche Konzepte entwickelt, Großflächen an finanzkräftige Investoren verkauft,
Architekturentwürfe geprüft, und dann endlich auch ... gebaut, gebaut, gebaut ...
In der letzten Dekade des vergangenen Jahrtausends war der Potsdamer Platz die größte Baustelle Europas
- Kran neben Kran, Rohbau an Rohbau. Das Ergebnis kann sich, trotz zeitweiliger Skepsis, durchaus sehen lassen.
Hinter dem nun wieder mit Leben gefüllten Platz schlagen wir noch einen kleinen Bogen um
die Berliner Philharmonie
und den Kammermusiksaal, ein Gebäude-Ensemble, zu dem auch noch die
Neue Staatsbibliothek auf der anderen Seite der Potsdamer Straße gehört.
Allesamt von Horst Scharoun in den 60er Jahren entworfen und konzipiert, bilden sie
mit neuer Nationalgalerie (Architekt: Ludwig Mies van der Rohe) und mehreren benachbarten Museen
den Kern des Kulturforums.
Dank des Verzichts auf rechte Winkel und parallele Wandflächen und der Positionierung
der Orchester in der Raummitte begeistern beide Konzertsäle durch ihre vorbildliche
Akustik, ein Besuch sei Musik- (oder auch Architektur-)liebhabern ausdrücklich empfohlen
- auf zum "Zirkus Karajani".
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